Torsten Weber • 1. Januar 2023
Als ich vor vielen Jahren daher erstmals diesen “Citizen Hack” vorschlug, hatten wir unter Freunden dazu ein gutes Gespräch: Einige waren so ehrlich zuzugeben, dass sie sich nur für die Rechte Andersdenkender einsetzen würden, wenn jene die gleiche Haltung hätten wie sie selbst. “Sorry für meine harten Worte”, erwiderte ich damals: “Das ist einfach zu wenig für Bürger:innen in einer pluralistischen Demokratie! Wenn wir alle so enge Kreise um uns herumziehen, wird produktiver Diskurs verunmöglicht.”
Heute würde ich das sogar drastischer formulieren! So unterschiedlich die Ziele und Werte der vielen gesellschaftlichen Filterblasen sein mögen, so sehr ähneln sind die internen Interaktionsmuster in den jeweiligen Blasen an den extremen Polen: Gleichgesinnte pflegen geschlossene, widerspruchsfreie Welt- und Feindbilder, greifen gerne nur die radikalsten Äußerungen der Gegenseite auf als Beleg der eigenen, vermeintlichen Gemäßigtkeit, immunisieren sich mit mantra-artigen Sprachformeln, werten Abweichungen von ihrer eigenen Norm „ad hominem“ ab und beklatschen begeistert das “Virtue Signalling” der Gleichdenkenden.
Die Welt nach 1945 hat sich für manche vielleicht nicht so angefühlt, aber Demokratie ist immer VUKA und Vorwärts-Scheitern „by design“. Sie benötigt daher die intellektuelle und moralische Stärke einer kritischen Anzahl an Bürger:innen, die mit unbequemen Widersprüchen produktiv umgehen können. Diese ergeben sich zwingend aus der Ko-Existenz diverser gesellschaftlicher Echokammern. Für die Rechte politischer Gegner:innen zu kämpfen ist also ein kritischer “Citizen Skill”, es ist der Lackmustest für Bürger:innen!
Ich wünsche Euch in diesem Jahr einen beherzten Kampf für die liberale und pluralistische Demokratie.
Herzlichst
Euer Torsten
© Torsten Weber 2024