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von Torsten Weber 12. Januar 2025
Seit 2013 appelliere ich an Menschen aus allen Filterblasen der Gesellschaft, Verantwortung für unsere Gesellschaft zu übernehmen, sich selbst an die eigene Nase zu fassen und nicht fortlaufend über alles und jeden zu jammern und den peinlichen Gestus des pauschalen Politik-Bashing zu zähmen. Jetzt ist 2025, und das gegenseitige Gekeife ist sogar noch schlimmer geworden. Ich spreche daher noch mal das Unsagbare aus: Wir Bürgerinnen und Bürger sind ja vielleicht doch SELBST verantwortlich für unsere Gesellschaft und was in ihr passiert. Diese Banalie auszusprechen gilt mittlerweile als Tabu oder gar als ein Sakrileg, ich weiß… 80 Jahre Frieden und Wirtschaftswunder haben die deutschen Bürger bequem gemacht. Es lief ja auch lange recht gut. „Die Wähler haben immer Recht“ sagten und sagen Politiker nicht nur an Wahlabenden. Das ist in den Bürgern vielleicht zu Kopf gestiegen. Wenn jeden Tag von der Verbesserung der Nutzer-Erfahrung und vom Kunden, der König sei, gefaselt wird, dann werden – nicht überraschend - Bürger irgendwann zu „Konsumenten“ von gesellschaftlichen Prozessen: Sie jammern über den schlechten Service, wechseln ständig den Anbieter und erzählen allen von den eigenen schlechten Erfahrungen. Jenen, die es hören, und auch jenen, die es nicht hören wollen. In allen (demokratischen) Ländern wünschen sich Bürger von Regierungen und Oppositionen, dass jene gefälligst die Zumutungen der Realität wegzaubern sollen. Alle Experten rund um demographischen Wandel und Rentensysteme sind sich einig, dass wir angesichts unserer Demographie nur zwischen Kürzung der Renten, Erhöhung der Rentenbeiträge, Anhebung des Renteneintrittsalters, einem Mindestmaß an Migration oder Kombinationen von jenen Optionen wählen und wir als Gesellschaft diese schmerzhaften Güterabwägungen diskutieren müssen. Gleichzeitig sagen ca. zwei Drittel der Bürger, dass sie alle Alternativen blöd finden. Schwierige Regierungsbildungen oder Koalitionskräche liegen in letzter Konsequenz natürlich in der Verantwortung der Bürger, die jene Politiker belohnen, die primitive Instinkte ansprechen und pragmatische Kompromisse ablehnen. Und die meisten Medien spielen dieses Spiel mit und verstärken es durch die ständige Dramatisierung von (oft nichtigen) Kleinigkeiten. Es ist eine Binsenweisheit, dass bei jeder grundlegenden Veränderung und Transformation manche Dinge erst mal schlechter werden. Die spürbaren Verbesserungen kommen erst mit Zeitverzug. Politiker, die sie im Sinne ehrlicher und transparenter Kommunikation aussprechen würden, würden von einer Shitstorm-Kakophonie in kürzester Zeit hinweggefegt. Und die andern Politiker, die diese Shitstorms lostreten oder billigend in Kauf nehmen, schießen in den Beliebtheitsumfragen nach oben. Wenn unser Kindergarten-Kind sagt, dass alle anderen um es herum blöd und schuld an allem seien und es selbst als einziges nicht, dann lächeln wir milde und werden in unserer Erziehung noch mehr auf Fremd-/Selbstbild-Abgleiche und Verantwortungsübernahme achten. Wenn unsere erwachsenen Freunde sagen, dass alle anderen blöd und schuld an allem seien, dann stimmen wir ihnen zu und plappern es nach. Die verschiedenen Filterblasen nehmen sich dabei nichts. Inhalte und Sprache mögen sich unterscheiden, aber die Muster sind in allen Filterblasen gleich. Egal ob links oder rechts. Egal ob woke oder anti-woke: Die Suche nach der jeweils radikalsten und nicht-repräsentativen Ausreißer-Aussage von einem Außenseiter im anderen Lager, um sich daran aufzuhängen und um die eigene Filterblasen aufzuwiegeln („Hast Du schon gesehen, was die wieder für einen Schwachsinn wollen?“), die „ad hominem“ Abwertung der politischen Gegner und die Selbstgewissheit, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Nein, es gibt keine einfachen Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Gesellschaft und unserer Welt. Eine pluralistische Gesellschaft muss Haltungs- und Meinungsvielfalt aushalten und vielleicht sogar als Chance begreifen, um die besten Ideen von allen nutzen zu können. Ich erwarte von Euch Mitbürgern, zumindest zu versuchen, in regelmäßigem Kontakt auch mit Menschen zu sein, die völlig anders leben als Ihr selbst. Und – ich gehe noch weiter - sogar dafür zu kämpfen, dass politisch Andersdenkende mit Euch öffentlich diskutieren dürfen. Mir ist es wirklich völlig egal, was Ihr in den nächsten Wahlen wählen werdet, aber versucht verdammt noch mal, nicht nur die halbleeren Gläser, sondern auch die Chancen zu sehen. Und hört auf, nur am Spielfeldrand zu stehen und zu jammern, und übernehmt endlich Verantwortung für die Herausforderungen unserer Gesellschaft! Bürger Torsten PS: Es gibt in allen politischen Lagern tolle Menschen, die sich in ihrer Rolle als Bürger großartig in unsere Gesellschaft einbringen. Jene nehme ich explizit von meinem kritischen Appell aus! Leider sind sie die Minderheit. PPS: Gendern oder Nicht-Gendern? Beides erzeugt Shit-Stürme und führt bei der Hälfte der Leserinnen und Leser dazu, dass sie nicht weiterlesen. Um alle zu erreichen, habe ich mich daher entschieden, in meinen Texten abzuwechseln.
von Torsten Weber 1. Januar 2025
In den letzten 5 Jahren waren meine Neujahrs-Gedanken Erinnerungen an „Citizen Skills“, die wir als Bürger:innen trainieren sollten, damit Demokratie funktionieren kann. Und natürlich mache ich damit weiter… 😊 In diesem Jahr werde ich ein Plädoyer für Kompromisse halten, weil diese “core features“ einer Demokratie in 2024 so unpopulär geworden sind, dass sie meine (und Eure) Unterstützung benötigen.
1. Januar 2025
In the last 5 years, my New Year thoughts have been reminders of citizen skills which we need to train to make democracy work. And of course, I am carrying on with it... 😊 This year, I’ll make a plea in favour of compromises, because these core features of democracy have become so unpopular in 2024 that they need my (and your) support.
von Torsten Weber 14. Februar 2024
("Ubuntu Awards", Cape Town, 10 February 2024) It was amazing to see how very different parts of South African society came together and celebrated their various achievements. For many years now, the “Ubuntu Awards” are an important catalyst for South African identity development. Being experts for the transformation of societies and communities ourselves, we know very well that "diplomacy" is so much more than having formally appointed ambassadors residing in the capitals of the world. Broadening the scope of “diplomacy” and involving citizens from all over society (sports, culture, economy and more) as de-facto ambassadors is a great idea which should serve as an inspiration to the world. As South Africans (in our heart) and progressive citizens of the world, we immensely enjoyed this atmosphere of togetherness.
von Torsten Weber 19. Januar 2024
Well, it seems that either authoritarian regimes are better in governing countries or they are better in shielding their populations from the inconvenient truths of a modern VUCA world. But - wait a minute - what about the followers of those leaders? What about their (realistic) expecations? What about their skills when evaluating government performance in times full of complexity? I dare to ask the unspeakable: Is it maybe the simplistic and primitive instincts of populations which also have an impact on government performance? And if so: Is there anything we can also learn about the population in a country when they trust or don't trust their government?
von Torsten Weber 3. Januar 2024
2023 war nicht wirklich so viel anders als die Jahre zuvor: Egal, was das gerade (immer zu viel) Empörung auslösende Thema ist. Sofort bilden sich zwei extreme Pole, die sich gegenseitig hochschaukeln, jede Position dazwischen verunmöglichen und damit die Gesellschaft in Geiselhaft nehmen. Beide Seiten sind in bemerkenswerter Symmetrie davon überzeugt, dass sie selbst die einzig richtige „Haltung“ haben und ausschließlich die Menschen auf der anderen Seite populistisch oder gar extremistisch seien. Ob Arbeiter oder Top-Managerin, ob arbeitslos oder Professoren-Stelle, ob links oder rechts, ob progressiv oder konservativ, alle scheinen zu glauben, dass nur „die anderen“ sich ändern müssten. Kein „Wahrnehmen, ohne zu bewerten“! Von Selbstzweifeln keine Spur! Bereits in den letzten Jahren habe ich meine Neujahrs-Wünsche dem Thema „Citizen Skills Matter“ (z.B. „ Umgang mit ethischen Dilemmata “, „ Kämpfen für die Rechte von politischen Gegner:innen “, „ Mangelnde VUKA-Resilienz in den Gesellschaften der Industriestaaten “) gewidmet. Als im letzten Frühjahr diese gesellschaftliche Polarisierung auch meine Mediations-Mandate und Demokratie-Salons zu erschweren begann, beschloss ich, methodisch einen Schritt zurückzugehen und einen „Citizen Hack“ aus meinem allerersten Verhandlungstraining im Jahr 1992 wieder stärker in den Mittelpunkt zu stellen: „Lasst uns wieder lernen, (mehrere) Positionen einnehmen zu können anstatt (schnell) auf einer Seite zu stehen! Konfliktlösung und Demokratie funktionieren nicht ohne.“
von Torsten Weber 3. Januar 2024
2023 hasn’t been much different than the years before: Whatever the topic that creates (always too much) outrage, quickly two extreme poles emerge, radicalise each other, squeeze out any position in between and take the society hostage. Both sides believe in remarkable symmetry that they themselves would have the right mindset and that solely people on the other side would be populist or even extremist: Worker or top manager, uneducated or professor, left or right, progressive or conservative, all seem to believe that only “the others” have to change. No “noticing without judging”! No self-doubts whatsoever! Already in recent years, I have dedicated my New Year wishes to “Citizen Skills Matter” (e.g. “ dealing with ethical dilemmas ”, “ fighting for the rights of political opponents ”, and “ citizens in developed countries and their lack of VUCA resilience ”). Last spring, when the polarisation in society began to also impact my mediation assignments and democracy salons, I decided to go back methodically and put a “citizen hack” from my very first negotiation training in 1992 in the centre again: “Let’s learn again to be able to take (multiple) positions instead of (quickly) taking a side! Conflict resolution and democracy don’t work without.”
von Torsten Weber 5. Februar 2023
Seit der Corona-Pandemie ist es eine beliebte Gesprächseröffnung geworden, die Unsicherheit und die Gefährlichkeit der „Welt da draußen“ zu beklagen. Also eine Variation des bewährten „früher war alles besser“. Wenn man sich die Mühe macht, Forschungsprojekte und auch schnöde Meinungsumfragen der letzten 40 Jahre zu betrachten (das ist der Zeitraum, den ich zeitgeschichtlich ein wenig einordnen kann), wird man allerdings schnell feststellen, dass die Lage so klar vielleicht doch nicht ist.
von Katharina Wiench 1. Februar 2023
von Torsten Weber 1. Januar 2023
Dear friends, I am a big fan of true diversity. It has actually been the underlying assumption of my identity and purpose as a “bridge”: Bringing people, filter bubbles and ideas together that would not meet otherwise. In recent years unfortunately, “diversity” has often been reduced to a feel-good concept with bounded plurality. As a facilitator and conflict mediator however, I am constantly reminded that dealing with true diversity sometimes hurts and that it needs courage, regular training, and practice in daily life.
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